Der Club der Mörderinnen Teil 2 - Vergebe mir Gott

Der Club der Mörderinnen Teil 2 - Vergebe mir Gott

Nach der kurzen und schaurigen Begrüssung der Teilnehmerinnen war es im Kreis der Mörderinnen still geworden. Alle sahen sich abschätzend in der Runde um. Würden sie hier heil wieder heraus kommen? In der Luft knisterte Anspannung. Doch eine musste nun das Schweigen brechen. Eine musste den Anfang machen.

Langsam trat die Mantide vor. Sie faltete ihre kräftigen Vorderbeine vor der Brust zusammen.

«Vergebe mir Gott.», sprach sie mitfrommer Stimme. Im Lichtkegel zuckte ihr Kopf nervös. Sie strich sich mit ihren haarigen Fangarmen über die grossen Augen, entfernte Staub und …, waren das Tränen? IhreKauwerkzeuge bewegten sich unentwegt im stillen Gebet. Doch dann blickte sie auf und sah eindringlich in die Runde.

«Also gut, dann beginne ich mit meiner Geschichte.» Sie schluckte. Dann verharrte sie in ihrer Stellung.

«Esist einige Monate her. Der Sommer hatte gerade erst begonnen. Herrliche warme Tage im frischen Grasgewirr einer Wiese. Kleine Sträucher zum verweilen. Ich liebte diesen Platz. Hier war mein zu Hause. Jeden Tag begann ich mit einem Gebet. So wundervoll ist diese Welt, so einzigartig. Wie kann man da nicht jeden Morgen Gott dafür danken, hier sein zu dürfen und ein Teil seiner Schöpfung zu sein?

Ich liebte mein frommes Leben, ein Leben für Gott. Stundenlang konnte ich im Gebet versunken ausharren. Es machte mich glücklich. Doch dann tauchte eines Tages ein Männchen auf. Es sass stets in meiner Nähe. Egal welchen Ast ich mir aussuchte. Es setzte sich drei Äste weiter und beobachtete mich.

Fromm verharrte auch das Männchen im Gebet. Doch ichtraute ihm nicht. Seine zischenden Geräusche liessen mich frösteln. Ich bekam Panik.Es war kein besonders starkes Männchen, doch schlank und gross, fast so gross wie ich. Und da es mich nicht weiter zu beachten schien, kümmerte ich mich nach ein paar Tagen nicht mehr um seine Anwesenheit. Es gabgenug Platz für uns zwei, wenn auch nicht immer genug Futter. Doch Fasten gehört eben auch zu einem frommen Leben.

Das samtige,kühle Grün seinerFlügel schimmerte in der Sonne. Ich gewöhnte mich langsam an seine Nähe. Sein mir anfangs so bedrohlich erscheinendes Zischen, klang nun irgendwie betörend. Sie wissen schon, was ich meine, fast wie ein Säuseln in des Windes in den Blättern. Oder als ob Gräser im Sommerwind aneinander reiben. Die Luft vibrierte. Ich zitterte am ganzen Leib. Irgendetwas passierte mit mir. Irgendetwas, das ich nicht beeinflussen konnte. Etwas das ich nicht wollte, das nicht in mein gottesfürchtiges Leben passte. Das Männchen schien das zu bemerken. Auch das es mich beunruhigte.Es zog sich also etwas zurück. Doch eslies mich in den nächsten Tagen nicht mehr aus den Augen. Esfolgte miraufmerksamer als zuvor. Tänzelte in der Ferne um mich herum. Nunkonnte ich mich auf nichts mehr konzentrieren. Konnte nichts mehr essen, nichts mehr fangen. Ich achtete nur noch auf ihn. Der Herrmöge es mir vergeben. In diesenMomenten konnte ich nicht einmal mehr beten. Ich schien den Verstand zu verlieren, wegen eines Männchens. Das konnte ich nicht zulassen. Ich drohte ihm, wollte ihn abwehren. Ich erhob mich zur vollen Grösse und zeigte ihm meine leuchtenden Fangarme. Doch esliess sich nicht abzuschrecken. Ich musste wohl oder übel mit diesem Aufdringling leben.

Eines Tages, das Männchen hat einen guten Zeitpunkt abgewartet, wollte ich mich gerade auf den Weg zu einem Unterschlupf machen. Ich drehte mich von ihm weg, da schoss esauf mich zu und klammerte sich an meinen Rücken. Ich erschrak. Obwohl ich die Attacke hatte kommen sehen. Ich wehrte ihn ab und packte ihn meinerseits mit meinen Fangarmen.» Die Gottesanbeterin machte eine Pause, als müsste sie sich sammeln. Sie sah zu Boden. «Ich hatte keine andere Wahl. Ich biss ihm den Kopf ab. Doch es war zu spät. Erwar bereits in mich eingedrungen. Ich konnte ihn jetzt nicht mehr von mir trennen. 5 Stunden vergewaltigte er mich bis ich ihn dann vollständig aufgefressen hatte. Ich wollte mich schützen und dann, einmal abgebissen war mein Hunger so gross… Ich hatte ja zuvor lange Zeit nichts essen können und schliesslich war er ja auch nur ein Insekt.»

Hier endete die Geschichte der Mantide. Sie drehte sich gebeugt um und ging langsam und zitternd in den Schatten zurück. Es hatte sie merklich geschwächt, alles noch einmal zu durchleben. Doch es tat ihr auch gut. Denn die anderen klopften plötzlich auf die Stühle. Zustimmend und aufmunternd. Und vor allem, nicht wertend. Die Gottesanbeterin setzte sich aufrecht hin und erhob nun selbstbewusst ihre leuchtenden Fangarme. «Amen». Und alle antworteten «Amen.», auch wenn sie nicht unbedingt gläubig waren. Es bedeutete hier schliesslich etwas ganz anderes. Und das wussten sie alle.